Von der Gefriertruhe in den Frühling: Wie überstehen deine Pflanzen extreme Temperaturschwankungen?

Moin liebe Spatenwühler,

In meinem Blogartikel Die Nährstoffversorgung sicherstellen bin ich bereits auf die Auswirkungen starker Temperaturschwankungen eingegangen. Innerhalb weniger Tage schwankten die Temperaturen in Deutschland von frostigen -16 °C, fast wie in einer Gefriertruhe, auf frühlingshafte +10 °C und mehr.

Solche Temperatursprünge bedeuten Stress für Winterkulturen wie Raps, Weizen, Gerste, Roggen und Grünland. Doch woran erkennt man, ob die Pflanzen das überstanden haben, und welche Maßnahmen helfen?

Darum soll es in diesem Artikel gehen. Sei gespannt auf den „Torso-Test“!

Was passiert, wenn der Frost schlagartig weicht?

Nährstoffstaus und -mängel bei Frost und Tauwetter

Extreme Temperaturschwankungen beeinflussen die Nährstoffdynamik in Boden und Pflanze. Wenn der Frost schwindet und die Temperaturen steigen, können Nährstoffe nicht mehr richtig transportiert werden. Sie bleiben an falschen Stellen oder blockieren den Stoffwechsel. Dadurch können sich Nitrate in den Geweben anreichern, was die Pflanzen schwächt. Ebenso können Kälteeinbrüche die Enzymaktivität drosseln, sodass z.B. Phosphat im Blatt nicht verbaut wird und sich Zucker anreichert – sichtbar als Anthocyan (Rotfärbung). Insbesondere betrifft es die beweglichen Nährstoffe wie Stickstoff, Schwefel, Phosphor, Kalium, Magnesium und wichtige Mikronährstoffe wie Mangan und Bor. Das zeigt sich oft an Gelb- und Rotfärbungen der Blätter, ein Hinweis auf Nährstoffmangel.

Die geschwächten Pflanzen sind dann anfälliger für Krankheiten und ziehen Schadinsekten an.

Welche Funktionen haben die Nährstoffe in der Pflanze?

Zur besseren Übersicht habe ich eine Tabelle erstellt, die die wichtigsten Nährstoffe, ihre Herausforderungen bei Frost-Tauwetter sowie die daraus resultierenden Symptome zeigt:

Nährstoff Funktion in der Pflanze Mangelerscheinungen
Stickstoff (N) Wichtig für das Pflanzenwachstum, die Chlorophyllbildung und die Photosynthese. Gelbe Blätter, verfrühter Abbau älterer Blattmasse.
Schwefel (S) Essenziell für die Proteinsynthese und die Bildung von Enzymen. Blassgrüne bis gelbliche junge Blätter.
Phosphor (P) Fördert die Wurzelbildung, Energieübertragung und Zellteilung. Rötliche Verfärbungen (Anthocyanbildung), langsames Wachstum.
Kalium (K) Reguliert den Wasserhaushalt und erhöht die Frostresistenz. Erhöhte Frostempfindlichkeit, welkes Wachstum.
Magnesium (Mg) Zentraler Bestandteil von Chlorophyll, wichtig für die Photosynthese. Chlorose (Blattvergilbung), gestörtes Wachstum.
Mangan (Mn) Fördert die Photosynthese und Enzymaktivitäten. Marmorierte Blattmuster, schwache Wurzelentwicklung.
Bor (B) Wichtig für Zellwandstabilität und Wurzelentwicklung. Verkrüppelte Neuaustriebe, Hohlräume im Wurzelmark.

So führst du den Torso-Test durch

  1. Stichprobenauswahl: Wähle 10 bis 20 Pflanzen repräsentativ aus deinem Feld – idealerweise aus verschiedenen Bereichen (mit unterschiedlichen Mikroklimata oder Bodenarten).
  2. Schnitt am Pflanzenstamm: Schneide vorsichtig den unteren Teil der Pflanzen ab, sodass du den zentralen Sprossbereich (den „Torso“) freilegst. Achte darauf, nicht zu viel Gewebe abzuschneiden – es geht darum, den Zustand des inneren Wachstumsknotens zu beurteilen.
  3. Beurteilung des Sprossbereichs:
    • Grün und saftig: Der Sprossbereich zeigt sich überwiegend grün und feucht – ein gutes Zeichen dafür, dass die Zellen noch vital sind und die Pflanze in der Lage ist, wieder auszutreiben.
    • Braun und vernarbt: Ist der Sprossbereich dunkel verfärbt oder trocken und rissig, deutet das auf irreparable Frostschäden hin. Die Pflanze hat wahrscheinlich nicht überlebt.
  4. Dokumentation: Notiere dir die Anzahl der gesunden versus beschädigten Pflanzen – so erhältst du einen prozentualen Überblick über den Überlebensstatus deines Bestandes.

Fazit und Maßnahmen: Erreicht die Überlebensquote einen kritischen Wert (z. B. unter 70 % vitaler Pflanzen), sollten eventuell Ausgleichsmaßnahmen (z. B. gezielte Düngung, Nachsaat oder Pflanzenschutzmaßnahmen) in Erwägung gezogen werden. Bei einer überwiegend gesunden Population genügt es oft, den Pflanzen Zeit zur Regeneration zu geben.

Maßnahmen und Ausblick

Die richtige Reaktion auf Frost-Tauwetter-Phasen ist entscheidend. Einige bewährte Maßnahmen sind:

  • Bedarfsgerechte Düngung: Sobald der Boden nicht mehr gefroren ist, empfiehlt sich eine erste Düngergabe – idealerweise eine Kombination aus Stickstoff und Schwefel, um das Wachstum zu unterstützen.
  • Gezielte Blattdüngung: Um gezielt gestresste Bestände zu fördern, empfiehlt sich eine Blattdüngung mit Makro- und Mikronährstoffen wie FOLISTAR-Extra, Lebosol®-nutri plant® 5-20-5 oder YaraVita KOMBIPHOS, bevor ein Bestand umgebrochen wird. Die Entscheidung über ein Umbrechen kann später getroffen werden, aber das Investment in die Stärkung der Bestände ist immer deutlich günstiger als ein Umbruch. Wichtig ist, die Maßnahmen bei Temperaturen über 5 °C durchzuführen.
  • Regeneration abwarten: Oft erholt sich die Kultur innerhalb weniger Wochen – insbesondere, wenn sich die Witterung stabilisiert und die Sonneneinstrahlung steigt.

Fazit

Frost-Tauwetter und abrupte Temperaturwechsel können erheblichen Stress für Wintergetreide, Winterraps und Grünland bedeuten. Mit einer systematischen Überprüfung, etwa durch den Torso-Test, lässt sich schnell feststellen, welche Bestände regenerationsfähig sind und wo Handlungsbedarf besteht. Zusammen mit einer bedarfsgerechten Düngung lassen sich die Ertragsrisiken minimieren und die Resilienz der Kulturen stärken.

Ich hoffe, dieser Beitrag liefert dir wertvolle Einblicke und praktische Tipps, um auch in herausfordernden Zeiten die Nährstoffversorgung und Vitalität deiner Pflanzen im Griff zu behalten!

Euer René Rempt