🌾 Erntedank – worum es eigentlich geht
Hast du mitbekommen, dass Erntedank war? Doch warum feiern wir eigentlich Erntedank?
Das sind die GrundbedĂĽrfnisse einer Gesellschaft.
Je besser sie erfüllt sind, desto höher werden die Ansprüche der Menschen – und mit ihnen wächst die Arbeitsteilung.
Mit jeder Spezialisierung werden wir zu einem kleineren Rädchen im großen Getriebe, das jedoch immer komplexer und größer wird.
Wir verbringen heute immer weniger Zeit damit, unsere Grundbedürfnisse direkt zu sichern und gleichzeitig verlieren wir das Verständnis dafür, wie aufwendig es ist, sie zu erfüllen.
Nehmen wir die Landwirtschaft, den Bereich, den ich am besten kenne:
1960 arbeiteten noch rund 14 % der Menschen in der Landwirtschaft, 2020 sind es nur noch etwa 1 %.
Mit jeder Generation geht der direkte Bezug zu einer der Säulen unserer Grundversorgung verloren.
Die „Alten“ wissen meist nur noch, wie es früher war, und viele der Jüngeren wissen gar nicht mehr, was heute dafür nötig ist, dass die Regale voll bleiben.
Ähnliches gilt für andere Bereiche: Medizin, Bundeswehr, Katastrophenschutz
Früher musste jeder junge Mann (heute wäre das auch für jede junge Frau sinnvoll) einmal etwas für die Gesellschaft tun: Dienst leisten, sich einfügen, Verantwortung übernehmen.
Dabei lernt man nicht nur, was einem liegt, sondern auch, was man nicht will und das ist oft der Anfang von Ehrgeiz/Zielen.
Ich bin einer der ersten Jahrgängen die relativ schnell Ausgemustert wurden. Daher mein bin ich vom Abi zum Studium und habe für meinen Bachelor acht Semester statt sechs gebraucht.
Ein Kommilitone, älter und erfahrener, hat ihn in fünf geschafft. Erfahrung, Disziplin und Durchhaltevermögen sind eben keine Theorien, sondern Lebenspraxis.
Ăśber Arbeit, Wert und Wirklichkeit
Mit wachsender wirtschaftlicher Freiheit wächst auch die geistige Freiheit.
Menschen wollen sich entfalten Kunst, Forschung und Wissenschaft entstehen immer dort, wo die Grundversorgung gesichert ist.
Eine Gesellschaft, die es schafft, diese Dinge einfach und bezahlbar zu erfĂĽllen, gewinnt die Freiheit, sich um das „Höhere“ zu kĂĽmmern – um Ideen, Erkenntnis und Zukunft.
Ich bin dankbar, in einem Land zu leben, das genau das ermöglicht.
Doch diese Freiheit ist kein Geschenk. Sie beruht auf Arbeit täglicher, oft unsichtbarer Arbeit.
Ohne Bauern, Ärztinnen, Pfleger, Polizisten und Handwerker – und all die anderen Berufe und Berufsgruppen, die ich hier gar nicht alle nennen kann – wären wir alle hungrig, nackt, krank und ängstlich.
Sie sichern das Fundament, auf dem alles andere steht.
Eine Gesellschaft, die verlernt, sich um diese fundamentalen Dinge zu kĂĽmmern, wird undankbar.
Und diejenigen, die diese Basis schaffen, verlieren irgendwann die Lust.
Dann beginnt die Spaltung zwischen denen, die das System tragen, und jenen, die es nur genieĂźen.
Wenn es wichtiger wird, Ausschreibungsvorschriften der EU exakt einzuhalten, als zĂĽgig BrĂĽcken wieder aufzubauen, wenn der politische Diskurs sich mehr um Formulierungen dreht als um Funktion,
dann hat eine Gesellschaft ihren Fokus verloren und mit ihm das Bewusstsein, in welchem Wohlstand sie eigentlich lebt.
In Zeiten, in denen Sprache oft wichtiger scheint als Handeln, tut ein Blick auf die Realität gut.
Wir reden ĂĽber Nachhaltigkeit, ĂĽber Gerechtigkeit, ĂĽber das richtige Gendern.
Aber egal, wie man es nennt am Ende braucht es jemanden, der’s macht:
der morgens/abends früh/spät aufsteht, die Ärmel hochkrempelt und das System am Laufen hält.
Wie verletzlich unsere Versorgung wirklich ist, hat sich in den letzten Jahren gezeigt:
Corona, Energiekrise, Krieg in der Ukraine plötzlich wurde klar, wie dünn die Schicht unseres Wohlstands ist.
Was vorher selbstverständlich war, wurde wieder wertvoll.
Ich habe nichts gegen neue Ideen und auch nichts gegen Veränderungen
aber man darf dabei nicht vergessen, worauf das alles steht:
auf der Arbeit derer, die tun, statt nur zu reden.
Ob jemand Bäuerin, Landwirt oder Landwirtin heißt, ist am Ende nicht entscheidend.
Wichtig ist, dass jemand ĂĽberhaupt noch drauĂźen steht im Wind, im Regen, im Staub.
Der wahre Sinn von Erntedank
FĂĽr mich ist Erntedank kein kirchlicher Pflichttermin.
Es ist ein Moment, um still zu werden und sich klarzumachen, was wirklich trägt.
Nicht die groĂźen Worte, sondern die kleinen Handlungen.
Kleine Handlungen wie einer älteren Dame oder einem älteren Herrn die Tür aufzuhalten,
jemanden mit drei Artikeln an der Kasse vorzulassen,
oder statt mürrisch in die Welt zu blicken einfach mal zu lächeln.
Eine Gesellschaft, die vergisst zu danken, verliert den Boden unter den FĂĽĂźen.
Dankbarkeit schafft Demut, und Demut schafft Klarheit.
Nur wer erkennt, was er hat, kann sinnvoll nach vorne denken.
Denken, Danken, Fokussieren
Erntedank ist fĂĽr mich kein Fest der Vergangenheit, sondern ein Spiegel der Gegenwart.
Es erinnert uns daran, worauf unser Wohlstand beruht auf Arbeit, Verantwortung und Gemeinschaft.
Denn am Ende ist das, was wir alle haben, eine Teamleistung, zu der jeder beitragen sollte.
Liebe grüße René Rempt


